Mykene

Homer und Mykene

 Homer

 ist der erste namentlich bekannte Dichter der griechischen Antike. Er lebte vermutlich gegen Ende des 8. Jahrhunderts v. C. (neuere Forschungen allerdings lassen auf das 6. Jahrhundert v.C. schliessen, als es in Athen ca. 530 v.C. die erste Schrift gab) in den von Griechen kolonisierten Gebieten Kleinasiens und gilt als Schöpfer der ältesten Werke der abendländischen Literatur: der Ilias, der Odyssee und der Homerischen Hymnen.

Schon in der Antike wurde über Homers Person und Herkunft diskutiert: Smyrna, Athen, Ithaka, Pylos, Kolophon, Argos und Chios beanspruchten, als sein Geburtsort zu gelten. Eine der Legenden sagt, er sei am Fluss Meles als uneheliches Kind geboren worden und sein ursprünglicher Name habe Melesigenes („Der vom Meles Herstammende“) gelautet. Er starb vermutlich auf der Insel Íos. Gesichert allerdings ist von diesen biografischen Daten nichts. 

Während über seinen Vater Unklarheit herrscht, sind sich mehrere Quellen einig, dass seine Mutter Kreitheïs hieß. In der Antike wurde er oft als blinder Greis dargestellt. Trotz dieser schon damals regen Hypothesenbildungen über seine Herkunft, sein Aussehen und seine Lebensdaten ist bis heute nicht einmal ganz geklärt, ob eine historische Person „Homer“ überhaupt existiert hat.

Die Darstellung Homers als eines blinden und armen Wandersängers geht unter anderem auf den Dichter des unter Homers Namen verfassten Apollon-Hymnus zurück, der aber höchstwahrscheinlich nicht von ihm stammt. Gegen diese Darstellung sprechen die für sein Werk erforderlichen genauen Kenntnisse der oberen aristokratischenSchichten, die ein armer Wandersänger nicht hätte besitzen können. Aber da die Epen – als ursprünglich mündlicher Vortrag – in erster Linie vor aristokratischem Publikum Gehör fanden, wobei die Sänger (oder auch Rhapsoden) zum Teil längere Zeit in dem Oikos der Adeligen wohnten und zu deren Unterhaltung beitrugen, ist es denkbar, dass auch Homer mit der Lebensart seiner Gastgeber vertraut war und zu dieser Bevölkerungsgruppe gehörte. Fahrende Sänger, die von Fürstenhof zu Fürstenhof zogen, finden sich auch in den Epen (etwa Demodokos am Hof des Phaiakenkönigs Alkinoos). Einige Forscher vermuten hier autobiographische Elemente, die Homer in die Epen einfließen liess.

Homer und Mykene

Schliemanns Mykene

 Dass die gesamte griechische Mythologie und nahezu die gesamte griechische Kultur mykenischen Ursprungs sind ist laengst erkannt (M.P. Nilsson – The mycenaean origin of Greek mythology). Dass aber auch der Ursprung dieser epischen Sprache bis in mykenische Zeit zurueckreicht, wurde erst seit der Erforschung der „oral poetry“ (muendliche Dichtung) aufgezeigt.

„Diese Ueberlieferung von einem Saenger zum anderen ist das Band, das Homer mit dem mykenischen Zeitalter verknuepft“. (J.Chadwick) Sie reichte durch das vier Jahrhunderte waehrende schriftlose „dunkle Zeitalter“   bis in die Zeit Homers.

Die Entzifferung der „Linear-B“ Schrift in Knossos, Mykene und dem Archiv von Pylos  hat zwar keine frueheren Epen ans Tageslicht gebracht, sondern Listen und Kataloge. Aber sie hat ergeben, dass die Mykener – Homer nennt sie Achaeer – eine fruehe Form des Griechischen gesprochen haben, was damals als sensationell empfunden wurde. Und das ist von eminenter Bedeutung fuer die Frage, ob die Anfaenge griechischer Epik noch in die mykenische Epoche zurueckreichen koennen. Was heute als fast sicher angenommen werden kann.

Lange Zeit hatten die Historiker ja bezweifelt, dass die Angaben Homers, was die bronzenen Ruestungen der Krieger betraf, zutreffen koennten. Man griff nicht nur Heinrich Schliemann an, als dieser sich – insbesondere  was die geografischen Angaben betrifft – strikt an die Texte aus Homers Ilias hielt um Mykene und Troja auszugraben. Man schlug sogar – mit der seinerzeit unter Wissenschaftlern durchaus verbreiteten Arroganz und Ignoranz – vor, diesbezuegliche Schilderungen Homers als „frei erfundene Dichtung“ abzutun und sogar diese Verse aus der Ilias zu tilgen… Spaetere archaeologische Funde von Ruestungspanzern und Beinschienen gaben jedoch Homers detaillierten Beschreibungen ebenso recht wie Heinrich Schliemanns Annahmen.

Es war nicht nur der Trojanische Krieg des grossen Agamemnon, der von Mykene ausging. In Mykene stand die Wiege der gesamten abendlaendischen Kultur und Dichtung.

John Chadwick – Linear B , die Entzifferung der mykenischen Schrift – Reclam Verlag

John Chadwick – Die mykenische Welt – Reclam Verlag ISBN 3-15-010282-0

Mykene und andere antike Staetten in Panoramafotos:

www.vgreece.com/index.php?category=8100“   

Sommertermine 2019 in Epidaurus und anderen Staetten:

www.greekfestival.gr

Im Dienst von 15 693 Versen… ( Marion Benz, Baseler Zeitung)

Die Originalsprache jenes Bestsellers, der die Basis europäischer Literatur bildet und der Grund für all den Wirbel um den Hügel Hisarlik an den Dardanellen ist, jenes Epos, das seit 2700 Jahren millionenfach kopiert, variiert und übersetzt wurde, ist für viele immer noch ein Buch mit mehr als sieben Siegeln. Selbst die deutschen Übersetzungen klingen oft so fremdartig, dass man schon nach dem ersten Gesang entmutigt aufgibt, und es gibt wohl nur noch wenige, die die 15 693 Verse der Ilias je ganz gelesen haben.
 Um so verdienstvoller ist es, dass sich ein kleines Team Basler Gräzisten um den Homerspezialisten Joachim Latacz daran gemacht hat, einen neuen Kommentar zur Ilias herauszugeben. Ein Vorhaben, an das man sich im deutschsprachigen Raum seit hundert Jahren nicht mehr gewagt hat. Es gehört eine gewisse Portion Idealismus zu solch einem Langzeitunternehmen.

Bisher sind drei Bände – Prolegomena, Kommentar und Übersetzung des ersten Gesangs – erschienen und in alle Welt verkauft. Man hat sich nicht mit einer existierenden Übersetzung begnügt, sondern liefert zum Kommentar gleich eine eigene mit. Salopp kommt mancher Vers der neuen Übersetzung daher: Wo Priamos und seine Söhne früher Freude empfanden, dürfen sie sich heute «vergnügt ins Fäustchen lachen», wo Agamemnon in «verderblichem Wahnsinn» tobte, ist er nun «in seinem Unheilshirn ganz von Sinnen».

Homer ist Poesie !

Auch zwingt Latacz‘ Wahl, in Jamben zu übersetzen, manchmal zu etwas holprigem Satzbau oder ungewohnter Wortwahl, genaue Textwiedergabe stellenweise zu eigenwilligen Wortgebilden: aus Agamemnon dem «Völkerfürsten» wird der «Weithinherrscher» und aus dem schneebedeckten Olymp der «Olymp, schneereich». «Homer besteht darin, dass er Poesie ist», begründet Latacz seine Entscheidung. Dank Latacz‘ ausgeprägtem Gefühl für Rhythmus macht es jedoch Spass, die Verse zu lesen und man ahnt, was die griechische Sängertradition gegenüber allen anderen mündlichen Dichtungen auszeichnete.

Im Prolegomenaband beleuchten namhafte Autoren alle Aspekte der Ilias und ihres Dichters: von der Geschichte des Textes über eine eigene Grammatik der Sprache Homers und den Götter- und Menschenbestand bis zu einer ausführlichen Rezeptions- und Forschungsgeschichte. Die Kapitel zur Formelhaftigkeit und die Liste griechischer Wörter, die schon im Mykenischen belegt sind, unterstreichen die These, dass einige Hexameter vermutlich aus dem 16./15. Jahrhundert v. Chr. stammen. Auch zeigt sich bei den Formeln deutlich die Einzigartigkeit der Dichtung Homers. Sie ist in der für die europäische Kultur- und Literaturgeschichte singulären Übergangsphase zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit entstanden.

Ein Drahtseilakt

Für Latacz gibt es keinen Zweifel: «Homer lebte im 8. Jahrhundert v. Chr.» Die Iliasstellt damit nicht nur den Anfang europäischer Literatur dar, sondern sie fixiert auch das reiche Erbe der jahrhundertealten, damals gerade noch lebendigen, mündlichen Hexameter-Dichtung.


Der Kommentar geht weit über sprachliche Probleme hinaus. Seit Anfang des letzten Jahrhunderts, als der deutsche Kommentar von Ameis-Hentze erschien, hat sich viel getan. «Es ist ein Drahtseilakt, was genannt wird und wie man dem sehr unterschiedlich vorgebildeten Publikum gerecht wird», so Magdalene Stoevesandt, die seit Beginn an dem Unternehmen beteiligt ist. Durch vier unterschiedliche Schrifttypen haben die Autoren dieses Problem praktisch gelöst: Normalschrift fürs allgemeine Publikum, Kleingedrucktes und Fussnoten für Spezialisten.

Krieg als Kulisse

Viel mehr als um Vokabeln und Grammatik geht es aber um die Zeit Homers.

Seine Dichtung eröffnet den Weg zu einer anderen, einerseits fremden, andererseits uns nahe stehenden Welt. Ausführlich erörtern die Autoren die gesellschaftlichen Hintergründe, vor denen Homers Helden agieren. Der Troianische Krieg ist dabei nur Kulisse. Bedeutender sind die menschlichen Konflikte, Ängste, Freuden und Gefühle, die Welt des griechischen Adels des 8. Jahrhunderts, die sich im uralten Mythos spiegelt.

Homer charakterisiert Typen und Probleme, die heute genauso existieren wie damals, und das in äusserst lebendiger Weise.

Da wird gestritten und getrotzt, geliebt, gehasst und intrigiert. Auch das Böse klammert Homer nicht aus. Man erfährt vieles vom Umgang der Menschen miteinander, aber auch, wie Menschen mit der Natur und den Tieren umgehen. Nicht umsonst wurden seine Werke schon um 600 v. Chr. zur Schullektüre.
Diese Tradition scheint man heute fast vergessen zu haben…

Joachim Latacz (Hrsg.): Homers Ilias. Gesamtkommentar.              Sammlung Wissenschaftlicher Commentare. Verlag K.G. Sauer. Prolegomena Kommentar und Übersetzung

Elftausend Verse Groll (Martin Siebler, FAZ)

      „Menin“ ist das erste Wort in Homers Ilias….     

 Es wird auch als „das Eingangswort der ganzen europäischen Literatur“ bezeichnet. Dieser Akkusativ von „menis“, Groll, Zorn, signalisiert das Thema des Epos. Es ist nicht der Troianische Krieg als Ereignis insgesamt, sondern das, was in 15 693 Versen ausgebreitet wird, beschränkt sich auf nur 51 Tage der zehn Jahre des Kampfes von Griechen und Troianern. Der Kern der Handlung umfaßt gar nur vier Tage oder 13 444 Verse aus dem neunten und zehnten Kriegsjahr.

Das mit „Menin“ bezeichnete Thema des Epos wurde schon in der Antike nicht immer als solches erkannt. So fragte mancher,warum der Dichter mit dem letzten Jahr begonnen habe und nicht mit dem ersten. Schließlich war Homers Werk als „Ilias“ bekannt, weshalb Zuhörer und Leser ja eine chronologischen Erzählung der gesamten Geschichte erwarten mochten.

Eine andere Gruppe dagegen akzeptierte den Inhalt und die Hauptrolle des Achilleus, erwartete aber einen anderen Titel: in Anlehnung an die „Odyssee“ etwa eine „Achilleia“ oder passender: „Menis Achilléos“, der Groll des Achilleus. Die Lösung des Problems ist einfach: Homers Epos hatte zunächst gar keinen Titel. Dieser wurde erst später erfunden, frühestens um 600 vor Christus.

Bedenkt man, daß die Homer-Forschung eine große Tradition innerhalb der deutschsprachigen Altphilologie ist, sollte man erwarten, daß der letzte umfassende Kommentar nicht allzu weit zurückliegt. Um so erstaunlicher ist es, daß ein solches Werk zuletzt vor hundertdreißig Jahren erarbeitet wurde, der berühmte, aber heute veraltete Kommentar von K. A. Ameis und C. Hentze, in der Forschung kurz als Ameis-Hentze bekannt.

Der neue Basler Ilias –  Kommentar versucht auch neue Wege zu gehen, Leser und Interessenten außerhalb der Gräzistik zu erreichen. Man strebt nicht einen reinen Spezialkommentar an, wenngleich ein solcher integriert ist, vielmehr ist eines der Ziele, ….vielfach verschütteten Zugang zu Homer wieder möglich zu machen“. So nimmt man auch 

 Rücksicht auf jene, die über keine Griechischkenntnisse verfügen, sich aber mit diesem Stück Weltliteratur beschäftigen wollen.

 Ihnen trägt sowohl die neue Übersetzung nach der Ilias-Edition von Martin L. West (1998/2000) – Latacz hat sich gegen eine getreue Übertragung des Hexameters für den seiner Ansicht nach besser geeigneten Iambus entschieden – wie auch der hierarchische Aufbau des Zeilen-Kommentars Rechnung. Kunstcharakter und Wirkungsmacht des Epos sollen wieder stärker ins Bewußtsein gerückt werden. Außerdem werden Informationen aus Archäologie, Orientalistik oder Ägyptologie bereitgestellt, wenngleich der Leser keinen umfassenden archäologischen Kommentar erwarten darf, wie ihn etwa die „Archaeologia Homerica“ liefern.

Eine wahre Fundgrube ist der Prolegomena-Band, der die Grundlage für die Kommentare bildet und zu deren Entlastung dient. Hier sind alle wichtigen Informationen zur Geschichte der Homer-Kommentierung, zur Textgeschichte oder zur Grammatik ebenso nachzulesen wie zu Metrik, Struktur und mykenischem Wortbestand in der Ilias.

 Zwei ausführliche Verzeichnisse erklären die handelnden Götter und Menschen. So erfährt der Leser, wie das Werk Homers schon bald nach seiner schriftlichen Fixierung im späteren achten Jahrhundert vor Christus seinen Siegeszug antrat, wie es schon früh kommentiert wurde und bald zum Bildungskanon auch der Schüler gehörte, so daß in einer Komödie des Aristophanes nach Vokabeln gefragt werden kann. Man erfährt, daß von Aristoteles sehr wichtige Bemerkungen zur Kommentierung Homersstammen und wie die Alexandriner seit dem dritten Jahrhundert vor Christus die Homer-Philologie entwickelten, die Erklärung Vers für Vers und Wort für Wort. Graphiken veranschaulichen die Geschichte der Ilias-Kommentierung oder unterrichten über wichtige Erkenntnisse in der Homer-Forschung seit Milman Parrys Forschungen zur Oral Poetry 1928.

Lesenswert sind auch die Ausführungen über die nachweisbaren nachhomerischen Interpolationen einzelner Verse oder über die führende Rolle Athens bei der Überlieferung der Ilias. Damals erfolgte offenbar auch die Einteilung von Ilias und Odyssee in je 24 Gesänge, die spätestens seit Hipparchos – seit 522 vor Christus – alle vier Jahre bei den Großen Panathenäen, dem Fest für die Stadtgöttin Athena, vollständig vorgetragen wurden.

Neben etwa 1500 Papyri, die mehr oder weniger umfangreiche Teile der Ilias überliefern, kennen wir auch Handschriften aus dem Mittelalter und der Renaissance. Die prächtigste ist der Codex Venetus A in der Marciana in Venedig. Der kalligraphisch geschriebene und sorgfältig korrigierte Text ist dem anderer Handschriften oft überlegen. Die erste gedruckte Ausgabe der Ilias wurde 1488 in Florenz von Demetrios Chalkondyles veranstaltet.

Wie akribisch kommentiert wird, zeigen schon die gut eine Druckseite füllenden Erklärungen und Bemerkungen zum ersten Wort des Epos, zu „menin“. Dort ist beispielsweise zu lesen, daß der angekündigte Groll im Vers 247 des ersten Gesangs als eingetreten konstatiert und im Vers 75 des neunzehnten Gesangs, also gegen Ende der Ilias, für abgeklungen erklärt wird. Dazwischen liegen 11 767 Verse, in denen Achills Affekt elfmal mit den gleichen Worten als immer noch andauernd bezeichnet wird. Zur Übersetzung von „menis“ erfährt der Leser, daß das dafür gängige Wort „Zorn“ keine angemessene Wiedergabe ist. Am nächsten komme ihm im Deutschen „Groll“, wofür auch aus dem Grimmschen Wörterbuch zitiert wird: „der nachdruck liegt auf dem begriff des anhaltenden, nicht nachlassenden.“

Homer „Ilias“ – Reclam Verlag ISBN 3-15-000249-4

2008 : Raoul Schrott uebersetzt Homers „Ilias“ neu und hat entdeckt, woher der Autor wirklich stammt. Damit hat er die Fachwelt herausgefordert !

 („Die Zeit“ 17.04.2008)

Mehr zu dieser neuen „Uebersetzung“ (oder doch eher Nachdichtung ? _ koennen Sie hier lesen:

Raoul Schrott: Homers Heimat – Der Kampf um Troja und seine realen Hintergruende. Hanser Verlag Muenchen 2008 –  24,90 Euro.

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